Am Nachmittag des 23. Oktober 2012s hielt der Sprachwissenschaftler Prof. Rudolf Hoberg im Huiwen-Gebäude vor Lehrern und Studenten der Deutschen Fakultät einen Vortrag unter dem Titel „Der Neger, das Fräulein, der Schwule — Tabuisierungen und Enttabuisierungen in der deutschen Gegenwartssprache“.
Zur Einführung griff er auf ein persönliches Erlebnis zurück und kam auf diese interessante Weise zum Thema der Tabuisierungen und Enttabuisierungen. Nachfolgend stellte er einige tabuisierte Wörter vor, an denen er den Prozess des Bedeutungswandels illustrierte. Dabei erwähnte er unter anderem die Anrede „Fräulein“, die aufgrund des Suffix „-lein“ im Laufe der Zeit als beleidigend empfunden wurde. Ähnlich verhält es sich auch mit den Wörtern „Weib“ und „Dirne“, die ursprünglich ganz neutral gebraucht wurden und erst allmählich abgewertet wurden. Umgekehrt hat das Wort „Schwule“ eine Aufwertung erfahren: Eigentlich als Schimpfwort benutzt, ist es im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklung immer beliebter geworden und dient heutzutage auch als Selbstbezeichnung der männlichen Homosexuellen. Es gibt zwar Beispiele für beide Fälle – semantische Auf- und Abwertungen –, aber deutlich häufiger ist Letzteres. Nur selten erfährt ein Wort eine Aufwertung.
Im Verlauf des Vortrags erklärte Prof. Hoberg jedes behandelte Wort mit mehreren Beispielen, untermauert von seinen eigenen Erfahrungen, und schuf so eine lebhafte und angeregte Atmosphäre. Der Vortrag hat gezeigt: Historische und gesellschaftliche Entwicklungen lösen zugleich einen Wandel in den Wortkonnotationen aus. Daneben hat Prof. Hoberg darauf hingewiesen, dass Frauen bei der Verwendung tabuisierter Wörter zurückhaltender als Männer sind.
Neben den obigen Beispielen hat er auch andere Wörter angeführt wie „Religion“, „Idiot“, „Scheiße“ und „geil“, die früher als unschicklich galten, inzwischen jedoch aus der sprachlichen Kommunikation der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken sind, besonders in der umgangssprachlichen Kommunikation unter jungen Menschen.
Abschließend gab es eine kurze Fragerunde. Es herrschte eine angeregnete Stimmung beim Gespräch zwischen dem Professor und den anwesenden Lehrern sowie Studenten. Alle gewannen ein fundiertes Wissen von den sprachlichen Tabuisierungen und Enttabuisierungen. Sie kamen zu der Erkenntnis, dass die Sprache sich mit der Entwicklung der Gesellschaft wandelt. Manchmal sind diese Wandlungen geradezu umwälzend, weil eine neue Zeit den Wörtern einen neuen Sinn beimessen will. Am Schluss äußerte Prof. Hoberg seine Freude über diese erneute Gelegenheit, die Deutsche Fakultät zu besuchen und mit ihr ins Gespräch zu kommen.