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Vortrag von Prof. Dr. Burkhardt an der Deutsch-Fakultät
  Time:2014-03-17  Hits:
Am 11. 3. hielt Herr Prof. Dr. Burkhart von der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Beisitzer im Hauptvorstand der GfdS (Gesellschaft für deutsche Sprache), auf Einladung der Deutsch-Fakultät sowie der GfdS Shanghai einen Vortrag zum Thema „Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich. – Linguistische Anmerkungen zur denkwürdigen Pressekonferenz von Günter Schabowski am 9. November“. Zu den Zuhörern zählten neben den Mitgliedern der GfdS Shanghai auch Studenten der Deutsch-Fakultät der Tongji-Universität.

Wie der Titel schon sagt, ging es in dem Vortrag hauptsächlich um die Rede von Günter Schabowski, einem ehemaligen Mitglied des Politbüros des ZK der SED, auch Sprecher der am 9. November 1989 live übertragenen Pressekonferenz. Diese Konferenz gilt als ein wichtiger Auslöser für den Fall der Berliner Mauer. Prof. Burkhardt analysierte die Rede aber nicht aus einer historischen, sondern aus einer linguistischen Perspektive. Er analysierte die Aussagen dieser Konferenz und zog die Schlussfolgerung, dass sprachliche Formulierungen zu Missverständnissen und schließlich zur Öffnung der Grenze zwischen West- und Ostberlin geführt haben.

Zur Einführung erklärte Prof. Burkhardt den Zuhörern zunächst die politische Ausgangslage dieses historischen Ereignisses. Er wies darauf hin, dass viele Bürger der damaligen DDR auswanderten, sodass ein neues Reisegesetz dringend benötigt wurde. Als Reaktion auf diese Notwendigkeit wurde eine neue Regelung des Reisegesetzentwurfs auf einer ZK-Sitzung beschlossen. Diese Entscheidung wurde erst kurz vor der Pressekonferenz dem Sprecher Schabowski weitergegeben, der aber bei der ZK-Sitzung nicht anwesend gewesen war und deswegen keine genauen Kenntnisse darüber hatte. Er verlas dann diese Regelung, als er von einem italienischen Journalisten danach gefragt wurde. Beim Vorlesen bestätigte er die Ausreisefreiheit der DDR-Bürger ohne Rücksicht auf die Differenzierung des Sinnes des Wortes „Ausreisen“ in verschiedenen Gebrauchskontexten. In der juristischen Fachsprache wird „Ausreisen“ als „Auswanderung“ verstanden, während es im gewöhnlichen Alltagsverständnis ganz einfach „Privatreisen“ bedeutet. Und auf die Nachfrage, wann diese Genehmigung in Kraft treten werde, erwiderte Schabowski nach einem Griff zu den mitgebrachten Materialien zögernd und unsicher: „Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort, unverzüglich.“ Die Frist sollte aber nach Diskussion der Mitglieder des ZK tatsächlich erst um vier Uhr am nächsten Morgen beginnen. Chronologisch zeigte Prof. Burkhardt den Zuhörern dann die Nachrichten der Medien darüber, was im weiteren Verlauf deutlich machte, wie die Medien Schabowskis Antwort missverstanden hatten und wie schließlich von „Grenzeöffnung“ und „Mauerfall“ gesprochen wurde.

Nach dem Vortrag wurden einige eingehende Fragen von Zuhörern gestellt, woraufhin Prof. Burkhardt seinen Kerngedanken erläuterte: Man sollte auf sprachliche Formulierungen achten, um keine Missverständnisse zu verursachen – nicht nur bei historischen Ereignissen, sondern auch im Alltagsleben.